Kasseler Kunstverein // im Sternhochhaus // Untere Königsstraße 78-82 // 34117 Kassel // Telefon 0561 771169 // Fax 0561 779421 // info@kasselerkunstverein.de
Ausführliche Informationen zum Programm des Kasseler Kunstvereins während des documenta-Jahres finden Sie unter www.kasselerkunstvereinsheim.de.
Marcus Charles Bransch / Uli Goll (D) | Com&Com (CH) | Katz&Fuchs (D) | Aurélie Garon (F) | Brenda Goldstein / Alissa Firth-Eagland (CAN) | HÜX'L XL (D) | Christian Klotz (D) | Melanie Manchot (GB) | Pauline M'barek (D) | Erik Olofsen (NL) | Julius Popp (D) | Anette Rose (D) | Christine Schulz (D) | Gebhard Sengmüller (AT) | Tina Tonagel (D) | Christoph Wachter / Mathias Jud (CH)
MONITORING, die Ausstellung im Rahmen des 24. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofestes, zeigt 16 Medieninstallation von insgesamt 21 internationalen Künstlerinnen und Künstlern aus sieben Ländern.
Die Medieninstallationen der diesjährigen Ausstellung wurden aus 400 Vorschlägen, die anlässlich des 24. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofestes eingereicht wurden, ausgewählt. Für die Auswahl zeichnet sich eine Jury aus Künstlern, Kuratoren und Kunstwissenschaftlern verantwortlich, die sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Filmladen Kassel, des Kasseler Kunstverein, der Hochschule für Bildende Künste Dresden, der Kunsthochschule Kassel und des Stellwerks zusammensetzt. Dieses Kuratorenteam bildet seit einigen Jahren ein beispielhaftes lokales Netzwerk aus unterschiedlichen Kunst- und Medieninstitutionen.
Durch die thematisch offen gehaltenen Einreichungsbedingungen ist die Ausstellung MONITORING jedes Jahr ein verkleinertes Abbild aktueller Tendenzen und Positionen. Sie fungiert als eine Art Seismograph, die vorhandenen Stimmungen und inhaltlichen Fragestellungen nachspürt. Trotz der Heterogenität der Arbeiten und ihrer Ansätze lassen sich auch in der aktuellen Ausgabe von MONITORING narrative und strukturelle Verbindungen feststellen.
Ein wiederkehrendes Element ist die Beschäftigung mit medienreflexiven Themen. Das führt zu einer Erweiterung der Spielräume und ermöglichte neue Zugänge und Sichtweisen. Gebhard Sengmüller zerschneidet einen 35mm-Kinofilm und montiert die einzelnen Kader in Diarahmen, die er dann auf zwölf Diaprojektoren verteilt. Alle Diaprojektoren sind auf den gleichen Punkt ausgerichtet und setzen die Einzelbilder wieder zu einer chronologischen Sequenz zusammen - aus Standbildern werden wieder bewegte Bilder, aus Diaprojektoren wieder Filmprojektoren. Die Apparatur tritt in den Vordergrund und gewinnt an Bedeutung.
Das Entwerfen aufwändiger Versuchsanordnungen oder experimenteller Apparate lässt sich auch bei anderen Arbeiten beobachten. Christine Schulz errichtet eine raumgreifende Installation mit Spiegel- und Styroporelementen, auf die sie Sequenzen aus Dokumentar- und Spielfilmen über Naturkatastrophen projiziert und aus ihren eigentlichen Kontexten löst, neu zusammensetzt und die menschliche Begeisterung für diese Bilder hinterfragt. Julius Popp findet für die tägliche Flut an Informationen, die auf uns einströmt, eine scheinbar sprichwörtliche Übersetzung: An einer an der Decke befestigten Konstruktion befinden sich magnetische Wasserdüsen, die einzelne Wassertropfen ausstoßen. Ein Computerprogramm selektiert nach statistischen Regeln in Echtzeit Schlagwörter verschiedener Nachrichtenwebsites und überträgt sie in Wasserimpulse. Vor dem Auge des Betrachters werden die Begriffe und Schlagzeilen in Form von herabfallenden Wassertropfen sichtbar.
Neben diesen gesellschafts- und medienkritischen Ansätzen spielt auch die Untersuchung persönlicher Lebens- und Arbeitswelten eine wichtige Rolle, wie die Videoinstallationen von Anette Rose oder Melanie Manchot zeigen. Auf der anderen Seite haben auch virtuelle Welten - mit all ihrem Eskapismus und den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten - nicht an Faszination verloren, wie die aktuelle Installation von Marcus Charles Bransch und Uli Goll anschaulich verdeutlicht.
Alle ausgestellten Arbeiten konkurrieren um den mit 2.500 Euro dotierten "Golden Cube", den Preis für die beste Medieninstallation, der in diesem Jahr erstmalig von dem Kasseler Softwareunternehmen Micromata Objects GmbH gestiftet wird. Der Preis ging an den Niederländer Erik Olofsen für die Medieninstallation ""Public Figures", die "im besten Sinne des Wortes sichtbar macht, was unserer Wahrnehmung in ihrer Beschränktheit stets unsichtbar bleibt." Eine lobende Erwähnung ging an die Arbeit "Zone* Interdite" von den Schweizer Künstlern Christoph Wachter und Mathias Jud, die "die Möglichkeiten des World Wide Web nutzt, um den weißen Flecken auf der Landkarte, der Kultur der Lager, ein Gesicht zu geben".
Die Ausstellung MONITORING ist eine Kooperation von:
Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest, Kasseler unstverein, Kulturdezernat/documenta Archiv der Stadt Kassel und dem Stellwerk.
Sie sehen aus wie verbotene Kritzeleien, Über- und Weiterzeichnungen, Kommentierungen und Fantasiegebilde, die gelangweilte Schüler in ihren Physik- oder Biologiebüchern hinterlassen - oder auch wie die Aufzeichnungen eines genialen Forschers, der zu viel Comics gelesen hat. Und die Zeichnungen und Versuchsaufbauten von Katrin Leitner sind tatsächlich Forschungen auf künstlerischen Wegen. Jetzt zeigt der Kasseler Kunstverein in seinen temporären Räumen in der Oberen Karlsstraße 14 die Ergebnisse ihres einjährigen Arbeitsstipendiums, das sie im Sommer 2006 von der Walter-Heilwagen-Stiftung erhalten hat.
Walter Heilwagen, Schulleiter, Stadtrat, Vorsitzender von Vereinen im Sozial- und Bildungsbereich, hat in seinem Testament verfügt, dass der größte Teil seines Vermögens in eine Stiftung eingebracht werden soll, die seinen Namen trägt. Aus der Rendite können jährlich "Preise oder Förderbeiträge ausgeworfen werden für wissenschaftliche, künstlerische, journalistische oder praktisch humanitäre Leistungen in Kassel oder von Kassel ausgehend." Die Stiftung soll seine Lebensarbeit fortsetzen und "Fortschritte in der Humanisierung des menschlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens erzeugen." In diesem Sinne wird der Preis der Walter-Heilwagen-Stiftung als ein einjähriges Arbeitsstipendium vergeben, dessen Ergebnis in einer Ausstellung und einem Katalog/Buch präsentiert werden.
Katrin Leitner hat den Kommunikationsforscher und Medientheoretiker Vilem Flusser zu ihrem Mentor gewählt. Dieser "Anarch der Gelehrten" scheint ihr eine ähnliche Mentalität zu haben, und seine Forschung eine wegweisende Grundlage ihrer Wahrnehmung, ihres Denkens und künstlerischen Arbeitens zu sein. Seine These vom Ende der als Text geschriebenen Geschichte, dem Ende der immer noch analogen Kunst und dem Beginn einer "Revolution der Bilder", einem durch Technobilder programmierten Wertesystem, dessen Bedeutungsproduktionen wir noch nicht kennen, fasziniert sie. In ihrem Projekt "FLUSSER UNDER CONSTRUCTION" geht es ihr allerdings nicht um die Illustration solcher Thesen, sondern um "paralleles Arbeiten", um den Versuch also, im Sinne Flussers in digitalem Layout künstlerisch zu denken. Katrin Leitner fühlt sich als sein "Zauberlehrling", der beim Ausprobieren auch manchmal Angst hat, ob er noch im Griff hat, was er in Flussers Sinne in Gang gesetzt hat.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch, das Katrin Leitner nicht nur als Dokumentation, sondern wie die Weiterführung ihrer Forschung gestaltet hat.