René Wagner
Pole Position


02.04. – 28.05.2023
Eröffnung: Samstag, 01.04.2023, 19 Uhr

Vom 2. April bis 28. Mai 2023 zeigt der Kasseler Kunstverein in seinen wiederbezogenen Räumen im Museum Fridericianum die Ausstellung „Pole Position“ von René Wagner.


Der Ausstellungsraum des Kasseler Kunstvereins wird von einer ca. 3 Meter hohen Ausstellungswand zerschnitten, die nach dem Vorbild von Christopher Williams Ausstellungsarchitektur ein riesiges Vehikel erkennen lässt. Als imposante Skulptur teilt sie die angrenzende Wand und verkeilt sich in den Nachbarraum. Sie stellt sich den Ausstellungsbesucher*innen gleich einem falschgeparkten Auto in den Weg. In ihrer Wand befinden sich Aussparungen, in denen beleuchtete Exponate zu sehen sind. Wagner verzichtet in dieser Ausstellung auf Sockelkunst. Deshalb sind seine lackierten Vasen in einer Art Auspuffästhetik liegend in den ausgesparten Nischen angeschraubt. Die auffälligen Nieten auf der Ausstellungswand, die normalerweise an japanischen Autofelgen zu finden sind, hat Wagner eigens für die Ausstellung kommen lassen. Anleihen aus den Bosozoku Style Tunings werden sichtbar. Kunstvoll präparierte Felgen scheinen die Ausstellungswand zu tragen.

An ihr hängen Bilder, die aus blechdünnem Aluminium bestehen und mehrere Lackschichten haben, aber auch Leinwände, die in altmeisterlicher Manier grundiert und mehrfach lackiert wurden. In ihren leuchtenden Farben erinnern sie an die 90er Jahre-Hotwheels-Ästhetik. 


Unter „Pole Position“ versteht Wagner die eigene Ausgangsposition als Chronist und genauer Beobachter. Die Tuningszene auf den Nachbardörfern seiner Heimatstadt Hildesheim hat ihn schon immer fasziniert. Tausendfach hat er sie mit seiner Kamera festgehalten beim Warten an der Bushaltestelle.
 

In der Leidenschaft und Ausdauer der Menschen, die ihre Autos tunen und diese dann abends vor den Bushaltestellen außerhalb des Dorfes präsentieren, sieht der Künstler eine Parallele zur Kunstwelt, denn auch sie ist immer auf der Suche nach dem größten, schönsten und gelungensten Kunstwerk. Tuningszene in der Scheune versus Kunst im Atelier bzw. Tuningszene auf dem Parkplatz versus Kunst im Ausstellungsraum.

Wagner wertet nicht, sondern stellt die obsessive Aufmerksamkeit und totale Perfektion für jedes Detail und die damit verbundene Wertschätzung für das auf Hochglanz polierte Auto auf die gleiche Ebene wie die Kunst oder das Meissener Porzellan seiner Oma, das nie benutzt werden durfte und im Schrank ausgestellt war. Das Bedürfnis, sich zu messen und zu optimieren, scheint sich vor allem mit oberflächlichen und auf Hochglanz polierten Oberflächen stillen zu lassen.


Wagner kombiniert diese Welten miteinander in seiner in Meissener-Porzellan-Optik gestalteten Alufelge, die er obendrein in entsprechendem Muster bemalt hat.
Seine sorgfältig bemalten Objekte verweisen auf die Antike, als auf Gebrauchsgegenständen wie Vasen Szenen aus dem Leben abgebildet wurden. Das, was Wagner heute abbildet, ist vor allem der Konsumwelt entnommen. Seine bemalten Objekte hinterlassen bei uns das beklommene Gefühl, auf ihre Vordergründigkeit hereingefallen zu sein und der Darstellung widersprechen zu wollen, weil sie das Gewohnte torpedieren.


Womöglich spiegelt René Wagner unser Bedürfnis nach sogenannten Kostbarkeiten, die wir präsentieren, um uns selbst gegenüber anderen aufzuwerten. Als Besucher*in beschleicht uns das Unbehagen, dass die eigene Bewunderung oder das Bedürfnis nach Erhabenheit an beliebigen Objekten und Tätigkeiten festgemacht werden kann und unter Umständen lächerlich ist. Wagner hält uns einen Spiegel vor, das eigene Handeln und die Selbstverliebtheit womöglich in Frage zu stellen.


Wenn es nach René Wagner geht, ist die Pole Position nicht der Startplatz für ein Wettrennen, sondern die Reflexion der eigenen Haltung.


René Wagner (*1983) lebt und arbeitet in Kassel.
Er hat Bildende Kunst an der Kunsthochschule Kassel studiert.

 

Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag & feiertags 11 – 18 Uhr
Donnerstag 11  – 20 Uhr

 

 

 

Spendenaufruf zur Umsetzung des Kunstwerks

86° (WALTER HALIT)
Natascha Sadr Haghighian

 

Nach einer Idee aus dem Kreis der Mitarbeitenden des Regierungspräsidiums Kassel wurde ein Wettbewerb für ein Kunstwerk in Gedenken an den ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke ausgelobt. Sechs Künstler*innen wurden aufgefordert, Entwürfe einzureichen für ein Kunstwerk, das offensiv die Ermutigung und Forderung formulieren soll, für Werte wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine offene Gesellschaft einzustehen. Nach eingehender Begutachtung und Diskussion der Entwürfe kam die hochkarätig besetzte Fachjury im Spätherbst 2021 zu dem Entschluss, den Entwurf der Künstlerin Natascha Sadr Haghighian zur Realisierung am Regierungspräsidium Kassel vorzuschlagen.

Ihr Entwurf war im November 2021 zusammen mit den anderen Wettbewerbsbeiträgen im Kasseler Kunstverein zu sehen. Ausgangspunkt ist die Feststellung der Künstlerin, dass sie nicht Walter sagen kann, ohne Halit zu sagen. Dem antirassistischen Motto „say their names“ (sagt ihre Namen) folgend, verbindet der Entwurf die Namen zweier Opfer rechter Gewalt in Kassel. Halit Yozgat wurde 2006 vom rechten Terrornetzwerk NSU ermordet. Der Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke wurde 2019 von einem Neonazi ermordet.

Realisiert werden soll eine weithin sichtbare Lichtskulptur mit den beiden Namen „Walter“ und „Halit“ auf dem Dach des Regierungspräsidiums Kassel. Die Skulptur weist gleich einem Kompass zu den beiden Orten, an denen Walter Lübcke und Halit Yozgat jeweils gelebt hatten und an denen sie ermordet wurden. Die Installation wird von einer Webseite und einem Podcast begleitet. 

Die Realisierung des Kunstwerks wird über Spenden finanziert, die die Bürgerstiftung für die Stadt und den Landkreis Kassel treuhänderisch für den Kasseler Kunstverein als Auftraggeber des Kunstwerks sammelt. Trotz der bisher erfreulich hohen Spendenbereitschaft Kasseler Bürger*innen und Unternehmen werden zum Erreichen des notwendigen Gesamtbudgets von 150.000€ noch Spenden in Höhe von rund 50.000€ benötigt.
Der Kasseler Kunstverein hat eine lange Tradition bürgerlichen Engagements seiner Mitglieder, er hat in seiner Geschichte immer Verantwortung im Sinne einer demokratischen Stadtgesellschaft übernommen und sich für Projekte politischer Partizipation eingesetzt. Deshalb möchten wir auch diesmal sehr deutlich sichtbar Position beziehen, uns für die Realisierung dieses besonderen Kunstwerks einsetzen und zu Spenden aufrufen.

Halit Yozgat und Walter Lübcke dürfen nicht vergessen werden.

Bitte spenden Sie für die Umsetzung des Kunstwerks.

Sollte mehr Geld zusammenkommen als für das Kunstwerk benötigt, wird dieses hälftig an das Bündnis „Offen für Vielfalt – geschlossen gegen Ausgrenzung“ und das „Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus und Rassismus – für demokratische Kultur in Hessen e.V.“, das den Walter-Lübcke-Demokratie-Preis 2020 erhalten hat, gehen.

Spenden können auf folgendes Konto eingezahlt werden:
Bürgerstiftung für die Stadt Kassel und den Landkreis Kassel
IBAN: DE94 5205 0353 0001 3141 51
BIC: HELADEF1KAS
Verwendungszweck: Spende Kunstwerk

Für Spenden bis 300 Euro genügt der Kontoauszug als Nachweis gegenüber dem Finanzamt. Bei größeren Spenden geben Sie bitte im Verwendungszweck Ihre Anschrift an, dann erhalten Sie eine Spendenbescheinigung.
 

Statement von Natascha Sadr Haghighian anlässlich der Entscheidung der Jury über die Ausschreibung für ein Kunstwerk zum Gedenken an Walter Lübcke am Regierungspräsidium Kassel:


„Ich freue mich sehr über die Entscheidung der Jury und bin gespannt auf den Prozess der Umsetzung von 86° (WALTER HALIT) auf dem Dach des Regierungspräsidiums, begleitet von einem Vermittlungsteil. Seit der documenta 13 verbindet mich eine kontinuierliche Auseinandersetzung und inzwischen auch tiefe Freundschaft mit der Stadt. Ich habe Kassel als eine postmigrantische, vielschichtige Stadt kennengelernt, in der Geschichte auf vielerlei Weise spürbar ist.
Von Kassel lernen, heißt den Brüchen und Kontinuitäten der Stadt zuzuhören und sich den Dringlichkeiten zuzuwenden, die daraus hervorgehen. Rechte Strukturen und rechte Gewalt stellen über Kassel hinaus eine erschreckende Kontinuität dar und dies in die Sichtbarkeit zu holen, kann nur ein erster Schritt sein.
Meine Gedanken sind in diesem Moment vor allem bei den Familien und Freunden der Opfer rechter Gewalt. Im Besonderen denke ich an Familie Lübcke und an Familie Yozgat, die Unfassbares erleiden mussten. Meine Gedanken sind auch bei Ahmed I. der noch heute unter den Folgen des rassistischen Angriffs leidet, dem er 2016 zum Opfer fiel. Walter und Halit sind Teil von uns, sowie Mercedes, Kaloyan, Said Nesar, Sedat, Fatih, Vili Viorel, Hamza, Ferhat, Gökhan, Enver, Abdurrahim, Süleyman, Habil, Mehmet, Ismail, Theodoros, Mehmet, Gürsün, Hatice, Gülüstan, Hülya, Saime, Oury, Ahmad und die vielen anderen für immer untrennbar Teil von uns sind. Erst wenn wir das verstehen, können wir rechten Terror stoppen.
Um es mit den Worten von Halit Yozgat’s Vater zu sagen: „Es darf keine weiteren Halits geben“ und heute müssen wir traurigerweise ergänzen: „es darf keine weiteren Walters geben“. Niemand darf seinen Vater, Sohn, Tochter, Partner, Bruder, Schwester, Freund verlieren, weil rechte Strukturen nicht klar und entschieden bekämpft werden. Sorgen wir dafür!“
Natascha Sadr Haghighian

Entwurf 86° (WALTER HALİT) Natascha Sadr Haghighian

 

 

 

01. April 2023 19:00

René Wagner - Pole Position

Ausstellungseröffnung
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